Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) verbietet Patente auf Pflanzensorten und Tierarten sowie auf Verfahren der konventionellen Züchtung. Das Europäische Patentamt (EPA) hat jedoch trotz dieser Verbote bereits mehrfach Patente auf die konventionelle Tierzucht erteilt.
Insbesondere 2007/2008 wurden mehrere Patente auf die Züchtung von Schweinen und Rindern vergeben. Dem Wortlaut nach wurden dabei zwar nur Verfahren patentiert, rechtlich erstrecken sich die Patente aber auch auf die mithilfe dieser Verfahren gezüchteten Tiere. Nur weil verschiedene Nichtregierungsorganisationen seinerzeit Einsprüche eingereicht hatten, mussten die meisten dieser Patente widerrufen werden.
2010 hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts entschieden, dass Verfahren zur konventionellen Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht mehr patentiert werden dürfen (G1/07 und G2/08). Viele der bis dahin erteilten Tierzucht-Patente könnten demnach jetzt so nicht mehr vergeben werden. 2015 entschied das Amt aber wiederum, dass die Pflanzen und Tiere selbst, die aus diesen Verfahren stammen, doch patentiert werden dürfen (G2/12 und G2/13).
Seitdem wurden nicht nur etliche Patente auf Pflanzen aus konventioneller Zucht erteilt, sondern auch entsprechende Patente auf Tiere: 2015 wurden Austern patentiert, 2016 kündigte das Amt an, Lachse patentieren zu wollen. Auf diese Weise sollen die im europäischen Patentrecht verankerten Verbote offenbar vollständig ausgehebelt werden. Weitere Tricks, die Verbote zu umgehen, sind die Patentierung von Zuchtmaterial wie Sperma und Eizellen oder die Patentierung der Auswahl von Tieren zum Zwecke der Zucht. Auch darüber kann die Tierzucht weitgehend kontrolliert werden.
Patente auf Tiere können erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben: Werden beispielsweise Milchkühe patentiert, darf der Landwirt nur noch deren Milch und Fleisch verkaufen, aber die Tiere selbst nicht zur Zucht verwenden, wenn der Patentinhabers nicht zustimmt. Die Landwirtschaft und die Erzeugung von Lebensmitteln geraten so nach und nach immer stärker in die Abhängigkeit der Patentinhaber. Auch Konzerne wie Monsanto haben bereits Patente auf Nutztiere angemeldet. Wittern die großen Konzerne ein Geschäft, werden die mittelständischen Züchter einfach aufgekauft.
Wenn verhindert werden soll, dass das EPA immer mehr dieser Patente erteilt, muss die Politik handeln und dafür sorgen, dass die bestehenden Verbote wieder in Kraft gesetzt werden. Keine Patente auf Saatgut! hat dazu in einem aktuellen Bericht konkrete Vorschläge gemacht. Nachfolgend wird ein Überblick über einige Patente auf Tierzucht gegeben, die vom Europäischen Patentamt in den letzten Jahren erteilt wurden.
Das Patent EP1257168 wurde 2005 erteilt. Es umfasst Spermazellen, wie sie of für die künstliche Befruchtung in der Rinder- und Schweinezucht eingesetzt werden. Die „Erfindung“ besteht darin, dass die Spermazellen nach Geschlecht sortiert werden. Mithilfe derartiger Patente ist es einfach, das Verbot der Patentierung von „im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung zu umgehen“: Man meldet einfach Patente auf das für die Tierzucht benötigte Zuchtmaterial an. Das Patent wurde nach Einsprüchen von Greenpeace und der Grünen im EU-Parlament schließlich widerrufen. Es gibt allerdings weitere Patente in diesem Bereich, die nach wie vor gültig sind.
2008 erteilte das EPA ein Patent auf die Zucht von Schweinen (EP 1651777). Das Patent basiert auf der Nutzung von Erbanlagen, die bei allen europäischen Schweinerassen vorkommen. Ursprünglich hatte der US-Konzern Monsanto das Patent angemeldet. Das Patent beschreibt eine Art Gen-Diagnose an Schweinen. Damit sollen beispielsweise Schweine identifiziert werden, die mageres Fleisch produzieren. Auch die so gezüchteten Schweine und ihre Nachkommen fallen dann unter die Reichweite des Patents. Gegen das Patent hatte ein breites Bündnis von Bauern und Umweltschützern sowie Tausende Einzelpersonen Einspruch eingelegt. Das Patent wurde daraufhin 2010 widerrufen.
Das Patent EP 1330552 ist das erste Patent auf Milchkühe in Europa, es wurde 2007 erteilt. In diesem Patent geht es um eine bestimmte Gen-Variante, die für eine bestimmte Milchqualität verantwortlich sein soll. Diese Gen-Variante wurde genauso wie das Verfahren zur Auswahl der Kühe patentiert, die natürlicherweise diese Gen-Variante in sich tragen. Das Patent umfasst aber auch Kühe, die gentechnisch manipuliert werden. Gegen das Patent hatten u. a. die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V. und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter Einspruch eingelegt. Das Patent wurde schließlich 2015 widerrufen.
Das Patent EP1141418, das 2007 erteilt wurde, betrifft Vererbungsmechanismen, bei denen die gewünschten Merkmale auf dem Zusammenwirkung mehrerer Gen-Abschnitte beruhen (sogenannte Quantitative Trait Loci, QTL). Das Patent geht von der bekannten Tatsache aus, dass Gene (und somit auch die QTL-Effekte) unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, je nachdem ob sie von
mütterlicher oder väterlicher Seite vererbt wurden („imprinting“). Im Patent wird dieser Effekt als Erfindung beansprucht. Nach Einsprüchen der Zivilgesellschaft wurde das Patent 2010 widerrufen.
Das Patent EP 1506 316 wurde 2008 erteilt. Es beschreibt die Kreuzung landwirtschaftlicher Nutztiere, damit deren Nachkommen wirtschaftlich besonders gut zu verwerten sind. Dabei soll die Auswahl der Tiere aufgrund bereits bekannter Erbanlagen erfolgen. Das Patent ist viel eher eine Geschäftsidee als eine echte Erfindung. Auch dieses Patent musste nach Einsprüchen der Zivilgesellschaft 2012 widerrufen werden.
2015 wurde ein Patent auf Austern erteilt (EP2184975). Laut Patentschrift sollen dabei Austern aus dem Mittelmeer, die natürlicherweise gegenüber bestimmten Krankheiten resistent gemacht wurden, mit Austern aus dem Atlantischen, dem Pazifischen oder dem Indischen Ozean gekreuzt werden. Patentiert werden die gemeinsame Haltung der Austern in einem Wasserbecken und die Austern selbst. Das Patent ist auch rechtlich brisant, weil es nach 2010 erteilt wurde, das heißt nach den Entscheidungen des Patentamts (G2/12 und G2/13), die Patente auf Zuchtverfahren verbieten, aber Patente auf Pflanzen und Tiere aus diesen Zuchtverfahren zulassen.
2016 wurde bekannt, dass das EPA ein Patent auf Lachse erteilen will, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden (EP1965658). Wie aus einem Schreiben an die Antragsteller in Australien hervorgeht, ist das Patent vollständig geprüft und soll jetzt erteilt werden. Patentiert werden sollen die Fische selbst sowie das Fischöl. Lebensmittel, die von diesen Lachsen stammen, sollen einen erhöhten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aufweisen, die oft als gesundheitlich wertvoll bezeichnet werden. Die Idee hinter diesem Patent ist nicht neu: So ist beispielsweise auch von Kühen, die auf der Weide gehalten werden und dort grasen, bekannt, dass ihre Milch einen höheren Gehalt an derartigen Fettsäuren aufweist.