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Der Zweck des Patentsystems ist es, technische Innovation zu fördern, indem man Forschern ermöglicht, Kosten für Forschungs- und Entwicklungsarbeit durch die Anwendung von geistigen Eigentumsrechten wiederhereinzubekommen. Produkte oder Verfahren können patentiert werden, wenn sie Kriterien wie
a) Neuheit,
b) erfinderische Tätigkeit und
c) industrielle Anwendbarkeit erfüllen.
Wenn Patente erteilt worden sind, kann ihr Inhaber andere über einen Zeitraum von 20 Jahren daran hindern, die entsprechenden Produkte zu vervielfältigen, zu gebrauchen, zu verkaufen und zu verbreiten. In den letzten Jahrzehnten wurde das Patentsystem von chemischen und mechanischen Produkten auf menschliches, tierisches und pflanzliches Leben ausgeweitet. Patente auf Pflanzen und Tiere stehen seitdem im Mittelpunkt einer breiten öffentlichen Debatte und rechtlicher Widersprüche. Die Vorstellung Pflanzen und Tiere als eine Erfindung der Industrie zu behandeln, widerspricht ethischen Grundwerten der europäischen Gesellschaft. Das Europäische Patentrecht verbietet ausdrücklich Patente auf Pflanzensorten und Tierrassen sowie auf Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“. Nichtsdestotrotz erteilte das Europäische Patentamt (EPA) tausende von Patenten auf Pflanzen und Tiere. Die Arbeit der Koalition NO PATENTS ON SEEDS! fokussiert sich darauf, Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung zu stoppen.
Pflanzen und Tiere werden zu “Erfindungen”
Die Zahl der europäischen Patente auf Pflanzen und Tiere nimmt beständig zu. Über 3.500 Patente wurden bereits auf Pflanzen erteilt (bis zum Jahr 2018), die meisten davon beziehen sich auf gentechnisch veränderte Organismen (über 2700). Aber auch die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich der konventionellen Zucht (nicht gentechnisch verändert) hat in den letzten 10 bis 15 Jahren beständig zugenommen: Es gibt bereits über 1500 Anmeldungen und mehr als 200 Erteilungen in diesem Bereich. (Siehe in der folgenden Graphik die Anzahl der pro Jahr erteilten oder angemeldeten Patente auf Pflanzen.)
Es gibt eine steigende Unzufriedenheit mit der Rolle und der Praxis des EPA, das sich über die Erteilung von Patenten finanziert. Somit sind Patente für das EPA ein gewinnbringendes Geschäft und eine Dienstleistung für die Industrie. Allerdings werden damit die Interessen der breiten Bevölkerung missachtet. Parallel dazu wächst die Sorge wegen der Marktkonzentration im Bereich der Pflanzen- und Tierzucht. Unternehmen wie Bayer (Monsanto), DowDuPont und Syngenta sind 'Saatgut-Giganten', die verstärkt versuchen ihr Monopol auf Saatgut, Ernte und Lebensmittel auszuweiten - speziell durch den Missbrauch des Patentrechts.
Wachsende Monopolisierung – wer entscheidet was wir essen?
Die Bedenken hinsichtlich der Patentierung von Pflanzen und Tieren müssen vor dem Hintergrund einer wachsenden Marktkonzentration in Züchtung, Lebensmittelherstellung und Landwirtschaft gesehen werden, die global und auch in Europa stattfindet. Patente sind eines der wichtigsten Instrumente, um die Macht großer Konzerne auf Kosten von regionalen Züchtern und Landwirten auszuweiten.
2018 fusionierte Monsanto mit dem deutschen Unternehmen Bayer, das auch in der Saatguterzeugung tätig ist. Folglich beherrschen Bayer (und Monsanto) ungefähr 30 Prozent des internationalen Saatgutmarktes. Nummer Zwei im Ranking der Saatgutriesen, das US-Unternehmen DuPont, wurde bereits mit dem US-Unternehmen Dow AgroSciences fusioniert und hat nun einen Marktanteil von ungefähr 20 Prozent. Daraus resultiert, dass nur zwei Unternehmen, Bayer (Monsanto) und DowDuPont, mehr als die Hälfte des weltweiten Saatgutmarktes kontrollieren werden. Nummer Drei dieses Rankings, das Schweizer Unternehmen Syngenta, das von ChemChina aufgekauft wurde, beherrscht weitere 10 Prozent des Saatguthandels.
Diese Konzerne können darüber entscheiden, welche Pflanzen künftig gezüchtet, angebaut und geerntet werden und wieviel die Saatgut- und Lebensmittelerzeugung kosten wird. Wenn die ‚Seed Giants‘ in Zukunft weiterhin Patente auf konventionelles Saatgut erhalten, wird deren Marktmacht deutlich steigen. Folglich wird der Einfluss einiger weniger großer Unternehmen auf unsere tägliche Ernährung immer größer. Schon 2009 heißt es in einem Bericht der Universität Wageningen:
For most crops only a few companies are controlling a large part of the world market. This makes a growing part of the global food supply dependent on a few companies. (...) Farmers and growers fear that their freedom of choice is threatened and that no varieties will be developed for certain crops that specifically meet their requirements (...).
(Louwaars N., Dons H., Overwalle G., Raven H., Arundel A., Eaton D., Nelis, A., 2009, Breeding Business, the future of plant breeding in the light of developments in patent rights and plant breeder’s rights, University of Wageningen, CGN Report 2009-14 (EN) CGN Rap)
Folgen für die Landwirtschaft
Diese Entwicklung betrifft auch Bereiche, die in diesem Kontext bisher nicht berührt wurden. Zum Beispiel haben die Großbrauereien Carlsberg und Heineken mehrere Patente auf Braugerste erteilt bekommen (EP2384110, EP2373154, EP2575433), die zur Herstellung von Bier und anderen Getränken verwendet wird. Das Patent erstreckt sich auf Gerste aus konventioneller Zucht und beinhaltet die Pflanze, die Ernte, das Brauverfahren, Malz, Bierwürze und alle Getränke, die mit dieser patentierten Gerste produziert werden. Viele solche Patente betreffen nicht nur die Pflanzen und das Saatgut, sondern auch die Ernte wie Getreidekörner, Früchte und Gemüse und daraus hergestellte Lebensmittel. 2018 hat das EPA ein Patent auf Lachse und Forellen erteilt, die mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden (EP1965658). Patentiert wurden das Futtermittel, die Haltung und die Fütterung der Tiere, die Fische selbst, sowie auch das aus den Tieren gewonnene Fischöl. Die Fische sollen mit herkömmlichen oder auch gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert werden. Wenn dieser gegenwärtige Trend nicht gestoppt wird, werden Konzerne wie Bayer (Monsanto), DowDuPont, Syngenta und andere Konzerne mehr und mehr Macht bekommen, darüber zu entscheiden, was in Europa und anderen Regionen der Welt angebaut und geerntet und als Lebensmittel zur Verfügung gestellt wird. Kurz zusammengefasst, gefährden diese Patente die Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft und die Sicherung der Welternährung.
Folgen für die Züchtung
Die Patentinhaber erhalten ein Monopol an der Nutzung einer bestimmten Eigenschaft einer Pflanze oder eines Tieres. Damit können sie den Zugang zu biologischer Vielfalt, der für die weitere Zucht nötig ist, erheblich einschränken oder sogar blockieren und damit den Innovationsprozess in der Züchtung behindern. Dies geschieht direkt durch die Monopolisierung der Züchtungsmerkmale, die dann oft von anderen Züchtern nicht mehr in ihren Züchtungsprogrammen verwendet werden dürfen (oder nur noch mit Zahlung einer Lizenzgebühr an den Patentinhaber) und indirekt durch die Schaffung beträchtlicher rechtlicher Unsicherheit darüber, welches Material die Pflanzenzüchter für ihre Arbeit überhaupt noch verwenden dürfen, wenn keine ausreichende Klarheit über die Reichweite der Patente besteht. Von dieser rechtlichen Unsicherheit sind besonders kleinere PflanzenzüchterInnen betroffen, denen erhebliche Kosten entstehen, wenn sie sich gezwungen sehen alle Patente prüfen zu müssen, die ihre Züchtungen betreffen könnten. Derartige Patente haben nichts mit dem ursprünglichen Kern des Patentrechts zu tun oder mit der Idee, einen fairen Anreiz für Innovation und Erfindungen zu liefern. Oft basieren diese Patente nur auf der Grundlage von trivialen technischen Entwicklungen und es werden rechtliche Schlupflöcher ausgenutzt um die Grundlagen unserer Ernährung in das „geistige Eigentum“ einiger großer Konzerne zu verwandeln.
Folgen für die Biodiversität und den Klimawandel
Durch einen geringeren Umfang von verfügbaren genetischen Ressourcen in der Zucht und große Monokulturen wird die (Agro-)Biodiversität auf unseren Felder sehr eingeschränkt. Eine höhere genetische Vielfalt ist aber wichtig, da sie in der Zucht eine größere Auswahl an Genen bedeutet, die eine gewünschte Eigenschaft besitzen können. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist dies beispielsweise Trockenheitsresistenz oder Keimfähigkeit bei niedrigen Temperaturen (siehe Patent auf Sojabohne oder Salat). Hier geht es um unsere Ernährungssicherheit, die aufs Spiel gesetzt wird.
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