Europäisches Patentamt erteilt weiterhin Patente auf Pflanzen

„Keine Patente auf Saatgut!“ wertet jüngste Patenterteilungen aus

6. April 2017 Die Initiative „Keine Patente auf Saatgut!“ hat Patente auf Pflanzen und Pflanzenzucht ausgewertet, die das Europäische Patentamt (EPA) in München 2016 erteilt hat. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 170 Patente auf Pflanzen erteilt. Weitere 60 Patente betreffen Verfahren zur gentechnischen Veränderung und zur Züchtung von Pflanzen. Die Zahl der europäischen Patente auf Nutzpflanzen stieg damit auf rund 3000. Ein wachsender Anteil davon betrifft auch die konventionelle Züchtung. Obwohl das Patentamt Ende 2016 offiziell einen Stopp der Patentierung konventioneller Züchtung verkündet hatte, wurden auch letztes Jahr rund 40 Patente in diesem Bereich erteilt. Insgesamt hat das EPA bereits rund 200 Patente auf konventionelle Züchtung erteilt. Wie die genauere Recherche zeigt, hat das EPA 2016 die Erteilung mehrere Patente auf konventioneller Pflanzenzucht tatsächlich aufgeschoben, nachdem die EU erheblichen Druck gemacht hatte. EU-Kommission, die Regierungen der Mitgliedsländer und das Europäische Parlament hatten sich gleichermaßen gegen derartige Patente ausgesprochen. Doch es zeigt sich, dass das Amt gleichzeitig versucht, unbemerkt möglichst viele Schlupflöcher offen zu halten. Das EPA plant demnach keineswegs, konventionelle Züchtung generell vom Patentschutz auszunehmen. Viele Firmen und Patentanwälte haben sich offensichtlich bereits auf die neue Situation eingestellt und passen die Patentanträge entsprechend an. „Es ist erschreckend, wie leicht es für Konzerne und Patentlobby ist, sich dem politischen Druck zu entziehen. Man formuliert einfach die Ansprüche etwas anders und kann sich weiterhin Patente vom Saatgut bis zur Ernte und damit die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft sichern“, sagt Christoph Then für „Keine Patente auf Saatgut!“ Ein häufig genutzter Trick ist es dabei, nicht länger den Züchtungsvorgang selber als Erfindung zu beanspruchen, sondern züchterische Merkmale wie genetische Veranlagungen oder Änderungen im Erscheinungsbild der Pflanzen. Die Reichweite derartiger Patente erstreckt sich dann auf alle Pflanzen mit diesen Merkmalen, unabhängig davon, wie sie hergestellt wurden. Zudem werden oft auch zufällige Mutationen als Erfindung deklariert. Dagegen hatte die EU-Kommission darauf verwiesen, dass auf Grundlage der bestehenden Gesetze nur gentechnische Verfahren als patentfähig gelten. Rund 65 Prozent der Patente auf konventionelle Züchtung, die 2016 erteilt wurden, basieren aufzufälligen Mutationen. Ein Beispiel dafür, wie diese Schlupflöcher genutzt werden, sind Patente auf Bier der Firmen Carlsberg und Heineken. Ausgehend von zufälligen Mutationen werden alle Gerstenpflanzen beansprucht, die eine bestimmte Brauqualität haben. Zudem werden auch das Brauen und das Bier selbst als Erfindung beansprucht. Gegen dieses Patent wurden inzwischen in mehreren Europäischen Ländern Protestaktionen gestartet. Ähnliche Patente auf zufällige Mutationen wurden 2016 auch für die Firmen Bayer (Raps), Monsanto (Ölpflanzen) und DuPont (Mais) erteilt. Das Patentamt weist in den Prüfbescheiden die Firmen sogar darauf hin, dass sie ihre Ansprüche ändern sollen, um entsprechende Patente auch in Zukunft zu erhalten. Konzerne wie Bayer, Monsanto, BASF und DuPont haben 2016 verhältnismäßig am meisten Patente erhalten. Wenn man die jeweiligen Firmenableger miteinbezieht, sind BASF und Monsanto mit jeweils rund 30 Patenten führend, gefolgt von Bayer (20), DuPont und Dow AgroSciences (zusammen 14) sowie Syngenta (8). Falls Monsanto wie geplant von der Firma Bayer übernommen würde, läge der neu formierte Konzern bei weitem an der Spitze. Bayer hat bereits angekündigt, dafür sorgen zu wollen, dass Verbote im Bereich der Pflanzenzucht nicht verschärft werden. „Keine Patente auf Saatgut!“ fordert, dass die Vertragsstaaten des EPA bei ihrer nächsten Sitzung im Juni die Weichen für lückenlose Verbote im Bereich der konventionellen Züchtung stellen. Ein Vorschlag mit entsprechenden Formulierungen wurde dem Ausschuss Patentrecht des EPA übermittelt. Dieser tagt Ende April und will über die zukünftige Auslegung der bestehenden Verbote diskutieren. Bei der Sitzung sind auch die Industrie und die Lobby der Patentanwälte als Beobachter zugelassen. „Keine Patente auf Saatgut!“ fordert deswegen ebenfalls Zugang zu dieser Sitzung. Kontakte: Christoph Then, Sprecher für „Keine Patente auf Saatgut!“, Tel +49 (0) 151 54638040, info@no-patents-on-seeds.org Johanna Eckhardt, Projektkoordination, Tel + 43 680 2126 343, johanna.eckhardt@no-patents-on-seeds.org Weitere Informationen: Die Aktion gegen die Patente von Carlsberg: www.no-patents-on-beer.org/de/ Website zum Konzentrationsprozess in der Pflanzenzucht: http://seedcontrol.eu/en/market.php

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