KWS-Mais (Kältetoleranz)

Maiskolben2022 hat das Europäische Patentamt der Firma KWS ein Patent auf einen kältetoleranten Mais (EP 3380618) erteilt. Der Fall macht anschaulich, wie das EPA die Verbote nach Artikel 53 b) der EU-Biopatentrichtlinie 98/44 aushöhlt: Die KWS entdeckte den Mais in bereits vorhandenen Populationen, von denen bekannt war, dass sie unter kälteren klimatischen Bedingungen wie in Nordeuropa angebaut werden können. Das Genom der Pflanzen wurde analysiert und sogenannte Markergene wurden identifiziert, die dazu verwendet werden können, um Mais mit den gewünschten Eigenschaften zu selektieren. Es wurden Kreuzungen durchgeführt, um festzustellen, ob die Markergene und die erwünschte Eigenschaft (Kältetoleranz) gemeinsam vererbt werden.

Zusätzlich wurde auch Zufallsmutagenese angewandt. Wie erwartet zeigte sich, dass Pflanzen mit den entsprechenden Genvarianten auch auf diese Weise generiert werden können. So sollte der Eindruck einer technischen Erfindung erweckt werden. Die Ergebnisse der Zufallsmutagenese werden jedoch ganz wesentlich von biologischen Mechanismen in den Zellen beeinflusst, sie sind nicht vorhersagbar und nicht gezielt. Aus der Perspektive des Patentrechts ist die Zufallsmutagenese deswegen grundsätzlich verschieden von den technischen Prozessen, wie sie in der Gentechnik zur Anwendung kommen.

Interessanterweise werden auch Werkzeuge wie CRISPR/Cas in der Beschreibung des Patentes erwähnt. Doch die Verfahren der Neuen Gentechnik kamen nicht zur Anwendung und sind auch nicht notwendig, um Pflanzen zu generieren, die bereits natürlicherweise existieren. Damit ist dieser Fall in Übereinstimmung mit anderen Patenten und Patentanträgen, die zeigen, wie CRIPSR/Cas, im Rahmen des Patentrechts dazu missbraucht wird, um sich die genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt anzueignen, die von allen Züchter*innen benötigt wird.    

Alles in allem wurden keine technischen Verfahren eingesetzt und sind auch nicht notwendig, um Mais mit Kältetoleranz zu erzielen. Im Patent wird klar gemacht, dass konventionelle Züchtung unter Verwendung der existierenden genetischen Vielfalt die tatsächliche Grundlage der ‚Erfindung‘ sind: Auf Seite 27 werden die Beispiele kurz zusammengefasst. Darin wird festgestellt, dass Kreuzung und Selektion ausreichend sind, um die erwünschten Pflanzen zu züchten. Es wird auch erklärt, dass die Mehrheit (86%) der vom Züchter verwendeten (als weibliche Linien in der Hybridzucht verwendete) Maispflanzen bereits über die erwünschten genetischen Anlagen verfügt. Trotzdem hat das EPA dieses Patent für die KWS erteilt, das die Verwendung der Genvarianten für die weitere Züchtung umfasst, sowie alle damit in Zukunft gezüchteten Maispflanzen.

Zusammengefasst ist die Erteilung des Patentes nicht nur eine Verletzung von Artikel 53 b) (Verbot der Patentierung von Pflanzensorten und nicht-technischen Verfahren zur Züchtung), es ist auch nicht erfinderisch. Es zeigt, wie das EPA die Unterschiede zwischen konventioneller Zucht und Gentechnik missachtet. Damit werden die Bestimmungen im Patentrecht verletzt, die nur die Patentierung von technischen Verfahren erlauben.

Das Beispiel des Patentes auf kältetoleranten Mais zeigt, dass die negativen Auswirkungen dieser Patente die Aktivitäten von traditionellen Züchter*innen stark beeinträchtigen kann, die auf dem Markt verfügbaren Pflanzensorten nicht mehr nutzen können, um neue und noch bessere Pflanzensorten zu züchten. Die Auswirkungen dieses Patentes betreffen auch die ökologische Züchtung: Da in vielen Fällen in der Zucht sowohl für die konventionelle als auch die ökologische Landwirtschaft das Saatgut von KWS verwendet wurde, ist es wahrscheinlich, dass auch die weitere Zucht mit mehreren dieser Sorten unter die Reichweite des Patentes fällt.

Keine Patente auf Saatgut! hat am 16.5.2023 Einspruch gegen das Patent eingelegt. Eine mündliche Anhörung ist für 15.10.2024 / 9h CET geplant. 

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Eine Teilnahme an der Online-Verhandlung ist möglich. Zur Anmeldung muss man bis 9.10.2024 eine Email and das EPA (support@epo.org) mit folgenden Informationen schicken: 

a)  Anmeldenummer:16804741.3

b)  Tag der mündlichen Verhandlung: 15.10.2024

c)  Name des Antragstellers XXX

d)  E-Mail-Adresse des Antragstellers XXX

Mehr Informationen: https://www.epo.org/de/applying/european/oral-proceedings/proceedings/public-access 

Kalender der mündlichen Verhandlungen

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Die Pressemeldung zum Einspruch (16.5.2023)

Das Patent auf der Seite des EPA