14. Oktober 2024 / Heute veröffentlicht Keine Patente auf Saatgut! einen neuen Bericht über Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen. Obwohl in Europa nur Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen sind, hat das Europäische Patentamt (EPA) bereits hunderte Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt. Betroffen sind über 1.300 europäische Pflanzensorten. Die Entwicklung droht die Pflanzenzucht in Europa zu blockieren.
„Das Europäische Patentamt und die Saatgut-Industrie zerstören mit diesen Patenten die Grundlagen der europäischen Pflanzenzucht. Noch nie war der Zugang zu konventionell gezüchteten Pflanzensorten so stark durch Patente behindert wie heute“, sagt Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut!. „Diese Patente bedrohen das Recht der europäischen Pflanzenzüchter*innen auf die freie Verwendung von Pflanzensorten aus konventioneller Züchtung.“
Ein Beispiel ist das Patent EP3380618 der deutschen Firma KWS. Die Firma beansprucht Mais, der in nördlichen Regionen angebaut werden kann, weil er auch tiefere Temperaturen verträgt. Die entsprechenden Genvarianten wurden ursprünglich in bereits existierenden Pflanzenlinien entdeckt. Laut Patent wendete die Firma KWS Zufallsmutagenese an und erwähnt die Möglichkeit, den Mais mit Hilfe von Gentechnik "nachzubauen“. Doch diese Verfahren sind gar nicht notwendig, um die erwünschten Pflanzen zu züchten.
Gegen das Patent hat Keine Patente auf Saatgut! Einspruch eingelegt. Eine Entscheidung darüber wird morgen vom Europäischen Patentamt in einer öffentlichen Anhörung getroffen. Bleibt das Patent bestehen, betrifft es auch die konventionelle Pflanzenzucht.
Grietje Raaphorst-Travaille von der niederländischen Firma Nordic Maize Breeding warnt: „Wir züchten seit vielen Jahren erfolgreich neue Maissorten, die in Europa auch in der ökologischen Landwirtschaft angebaut werden. Jetzt gefährden Patente wie das der KWS unsere Zukunft und die Vielfalt in der Pflanzenzucht. Wir müssen damit rechnen, dass wir auch dann von Patenten und Gerichtsverfahren betroffen sind, wenn wir weiterhin nur mit konventionell gezüchteten Sorten arbeiten“.
Insgesamt wurden bei der Recherche von Keine Patente auf Saatgut! rund 80 Patente auf Pflanzen entdeckt, die im Jahr 2023 erteilt wurden. Davon betreffen rund 20 die konventionelle Züchtung. Betroffene Pflanzenarten sind beispielsweise Gurken, Mais, Melonen, Paprika, Raps, Spinat, Tomaten und Weizen. Die Patentinhaber*innen sind Firmen wie Nunhems/BASF, Enza Zaaden, KWS, Rijk Zwaan, Seminis/Bayer und ChemChina/Syngenta.
„In der EU wird derzeit heftig über Patente auf Pflanzen gestritten. Die alte EU-Kommission hatte sich aber geweigert, einer rechtssicheren Lösung zuzustimmen. Dabei könnten Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung über die EU-Patentrichtlinie 98/44 verboten werden. Dafür müssten bestehende Verbote nur korrekt ausgelegt werden“, sagt Dagmar Urban vom österreichischen Verein Arche Noah, einem Mitglied von Keine Patente auf Saatgut!. „In einem weiteren Schritt sollten dann alle Patente auf Pflanzen und Tiere verboten werden.“
Eine zentrale Rolle bei den aktuellen Entwicklungen spielt die Neue Gentechnik: Offensichtlich werden bestimmte Merkmale von konventionellen Pflanzen mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas kopiert, um ihre Patentierung zu ermöglichen. Diese Patente sind oft nicht auf jene Pflanzen beschränkt, die mit diesen technischen Verfahren verändert wurden. Sie erstrecken sich auch auf nach dem Zufallsprinzip generierte Mutationen. Auch die Auswahl der Pflanzen für die weitere Züchtung mithilfe von natürlicherweise vorkommenden Genvarianten wird beansprucht. Damit erlangen die Firmen die Kontrolle über die Pflanzenzucht mit und ohne Gentechnik.
„Die EU muss Patente auf konventionelle Züchtung stoppen, auch die auf zufällige Mutationen und die Nutzung von natürlichen Genvarianten. Züchter*innen brauchen rechtliche Sicherheit, dass sie auch zukünftig Zugang zu den genetischen Ressourcen haben, die für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden. Sie dürfen nicht zu Lizenzverträgen gezwungen oder durch Gerichtsverfahren bedroht werden. Wir können nicht zulassen, dass die Grundlagen der Züchtung und Nahrungsmittelproduktion von einer Handvoll Firmen kontrolliert werden, die Patente auf unsere Nahrungspflanzen anmelden“, sagt Nout van der Vaart von Oxam Novib.
Kontakt
- Grietje Raaphorst-Travaille, Nordic Maize Breeding, nmb.graaphorst@gmail.com, +31617345947
- Dagmar Urban, Referentin Saatgutpolitik, ARCHE NOAH, dagmar.urban@arche-noah.at, +43 676 9318180
- Roos Groen, Pressesprecher Oxfam Novib, roos.groen@oxfamnovib.nl, +31651287965
- Christoph Then, Sprecher für Keine Patente auf Saatgut!, info@no-patents-on-seeds.org, +49 151 54638040
- Johanna Eckhardt, Projektkoordination für Keine Patente auf Saatgut!, johanna.eckhardt@no-patents-on-seeds.org, +43 680 2126343
Weitere Informationen
Der aktuelle Bericht zum Download: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/bericht-2024
Informationen zum Einspruch gegen das Patent auf Mais:
https://www.no-patents-on-seeds.org/de/mais-kaeltetoleranz
Materialien zum Hintergrundgespräch am 14.Oktober 2024: https://www.no-patents-on-seeds.org/de/gespraech
Ein neues Video von Oxfam Novib zu Patenten auf Saatgut mit Grietje Raaphorst: https://www.youtube.com/watch?v=sLX_qNnknMw (5min, Niederländisch mit engl. Untertiteln)
Blog-Artikel von Oxfam Novib (Niederländisch):
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