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Die Grundlage des europäischen Patentrechtes, das sogenannte Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), bezeichnet Pflanzen und Tiere grundsätzlich als nicht patentierbar. Aus Artikel 53(b) geht hervor, dass Patente auf Pflanzen und Tiere eigentlich nicht erteilt werden dürfen:
„Europäische Patente werden nicht erteilt für (...): b) Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Dies gilt nicht für mikrobiologische Verfahren und die mithilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse.“
Dennoch hat das Europäische Patentamt (EPA) in den letzten Jahren bereits tausende von Patenten auf Pflanzen und Tiere erteilt und damit diese gesetzlichen Bestimmungen weitgehend ausgehöhlt.
Steigende Anzahl von Patenten
Derzeit steigt die Zahl der Patentanträge auf Pflanzen und Tiere in Europa beständig. Über 3000 Patente auf Pflanzen wurden bereits erteilt – die meisten davon im Bereich Gentechnik.
In den letzten 10 bis 15 Jahren gibt es zudem eine stetig steigende Anzahl von Patentanträgen auf Pflanzen, die aus konventioneller Züchtung stammen und nicht gentechnisch verändert sind. Mehr als 1500 dieser Anträge sind bereits eingereicht und mehr als 200 Patente auch erteilt.
Derartige Patente haben nichts mit dem ursprünglichen Kern des Patentrechts zu tun oder mit der Idee, einen fairen Anreiz für Innovation und Erfindungen zu liefern. Oft basieren diese Patente nur auf der Grundlage von trivialen technischen Entwicklungen und sind nichts anderes als ein rechtlicher Trick, um die Grundlagen unserer Ernährung in das „geistige Eigentum“ einiger großer Konzerne zu verwandeln. Viele dieser Patente betreffen nicht nur die Pflanzen und das Saatgut sondern auch die Ernte wie Getreidekörner, Früchte und Gemüse und daraus hergestellte Lebensmittel. So wurden 2016 für die Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken mehrere Patente auf konventionell gezüchtete Gerste erteilt, die sich auch auf das damit produzierte Bier erstrecken.
Zunehmende Marktkonzentration
Diese Entwicklung muss vor dem Hintergrund einer wachsenden Marktkonzentration in Züchtung, Lebensmittelherstellung und Landwirtschaft gesehen werden, die global und auch in Europa stattfindet. Schon in naher Zukunft könnte Bayer (zusammen mit Monsanto) und der US-Konzern DowDuPont mehr als die Hälfte der globalen Saatgutmärkte kontrollieren. Zusammen mit dem drittgrößten Konzern im Bereich Saatgut, dem Schweizer Konzern Syngenta, befinden sich rund 60 Prozent des Handels mit kommerziellem Saatgut in der Hand von nur drei Konzernen.
Patente sind eines der wichtigsten Instrumente, um die Macht großer Konzerne auf Kosten von regionalen Züchtern und Landwirten auszuweiten. Kurz zusammengefasst, gefährden diese Patente die Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft und die Sicherung der Welternährung.
Weitreichende Folgen
Patente auf konventionelle Züchtung werden die Situation von Landwirten, Gemüseanbauern und Züchtern dramatisch verändern. In Zukunft werden Landwirte, Gemüseanbauer oder Züchter, die keine Verträge mit den Patentinhabern unterzeichnen, keinen Zugang zu patentiertem Saatgut haben – weder für den Anbau noch für die Vermehrung oder weitere Züchtung.
Diese Entwicklung betrifft viele Bereiche: Traditionelle Züchter, Landwirte, die Saatgut vermehren oder sogar selbst züchten, Entwicklungsländer, die durch bilaterale Handelsabkommen gezwungen werden können, Patente auf Saatgut zuzulassen, Gemüseanbauer, die in die Abhängigkeit einiger weniger Konzerne geraten, ökologisch produzierende Landwirte, die auf bestimmtes zertifiziertes Saatgut angewiesen sind, Verbraucher, Lebensmittelhersteller und Lebensmittelhändler, die feststellen, dass über die Auswahlmöglichkeit und die Preise von Lebensmitteln von Konzernen wie Monsanto entschieden wird.
Zudem wird auch die biologische Vielfalt auf dem Acker weiter deutlich abnehmen, wenn nur noch patentierte „Supersorten“ angebaut werden. Die agrarische Vielfalt ist jedoch eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Züchtung, eine umweltfreundliche Landwirtschaft und die Anpassungsfähigkeit unserer Nahrungsmittelproduktion an sich ändernde Umweltbedingungen wie den Klimawandel. Somit bedeuten Saatgutmonopole nicht nur die Kontrolle über die Grundlagen unseres täglichen Lebens, sondern stellen auch ein erhebliches Risiko für die Zukunft der Ökosysteme, die globale Ernährungssicherheit und die regionale Ernährungssouveränität dar.
Das Europäische Patentamt bedient nur die Interessen der Industrie
Nach öffentlichen Protesten der Zivilgesellschaft und deutlicher Kritik von Seiten der EU, hat das Europäische Patentamt (EPA) im Jahr 2017 neue Regeln für die Auslegung der europäischen Patentrechte beschlossen. Zum ersten Mal hat das EPA eingestanden, dass sich die Verbote der Patentierung sowohl auf die Verfahren zur Züchtung als auch die daraus resultierenden Pflanzen und Tiere erstrecken, wenn die Züchtungsverfahren als „im Wesentlichen biologisch“ angesehen werden.
Jedoch ist das, was vom EPA als „im Wesentlichen biologisch“ definiert wird, nicht in Übereinstimmung mit dem, was im Allgemeinen unter konventioneller Züchtung (im Gegensatz zu Gentechnik) verstanden wird: Nach dem Wortlaut der neuen Regeln sind alle Pflanzen und Tiere patentierbar, bei denen genetische Veranlagungen und zufällige Mutationen identifiziert werden, die für die Züchtung wichtig sind.
Zudem gibt es auch keine klare Trennung zwischen den nicht patentierbaren Zuchtverfahren und den Methoden der Gentechnik. Wenn Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Züchtungsmerkmalen patentiert werden, dann erstreckt sich das Patent auf alle Pflanzen und Tiere mit diesen Merkmalen unabhängig davon, ob diese mit Hilfe von Gentechnik verändert wurden, aus konventioneller Züchtung stammen oder natürlicherweise vorkommen. Dies führt zu der absurden Situation, dass Patente auch natürlicherweise vorkommende Merkmale umfassen können.
Patente auf Gerste und Bier, die für Carlsberg und Heineken erteilt wurden, sind Beispiele für Patente, wie sie nach dieser neuen Auslegung des Patentrechts auch in Zukunft erteilt werden: Die Firmen haben Patente auf Gerste mit zufälligen Mutationen erhalten. Die Patente umfassen nicht nur die Gerste, sondern auch deren Verwendung zum Brauen und das damit produzierte Bier. Nachdem mehrere Organisationen im Jahr 2017 Einsprüche gegen die Patente eingelegt hatten, bestätigte das Europäische Patentamt bereits, dass es unwahrscheinlich sei, dass derartige Patente auf der Basis der neuen Regeln widerrufen würden.
Unsere Analyse zeigt, dass das EPA, Patentanwälte und die Industrie diese Schlupflöcher systematisch ausnutzen, um die Patentierung konventioneller Züchtung fortzuführen – im klaren Gegensatz zum Interesse der Öffentlichkeit und zum Inhalt und Geist der europäischen Patentgesetze.
2017 zeigte das EPA auch, dass es an einer echten Auseinandersetzung mit der breiteren Öffentlichkeit nicht interessiert ist: Lediglich Patentanwälte und die Industrie dürfen an entsprechenden Sitzungen teilnehmen und haben Zugang zu den relevanten Informationen. Es ist offensichtlich, dass eine grundlegende Reform des EPA und seiner Strukturen notwendig ist, um sicherzustellen, dass diese hinsichtlich Transparenz und Partizipation die Standards erfüllen, die von öffentlichen Institutionen im 21. Jahrhundert erwartet werden müssen.
Was muss geändert werden
Es gibt drei zentrale Punkte, die geändert werden müssen, um die bestehenden Verbote der Patentierung von Pflanzensorten und Tierarten sowie im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung in Kraft zu setzen:
Definition von „im Wesentlichen biologischen Verfahren“
Es muss klar gestellt werden, dass die Definition von „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ alle Verfahren umfasst, die in der konventionellen Züchtung üblich sind, einschließlich von Zufallsmutagenese und einzelnen Stufen der Verfahren wie Selektion und / oder Vermehrung.
Definition der „Produkte“, die in Züchtungsverfahren verwendet oder hergestellt werden
Es muss klar gestellt werden, dass alle „Produkte“, die bei im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren verwendet oder mit diesen hergestellt werden, vom Verbot der Patentierung umfasst werden, einschließlich aller Bestandteile von Pflanzen und Tieren, ihrer Zellen und genetischen Grundlagen.
Begrenzung der Reichweite von Patenten
Das EPA darf im Bereich der Tier- und Pflanzenzucht keine Patente mit “absolutem Stoffschutz“ erteilen. Sonst können Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere auch auf alle Pflanzen und Tiere mit den entsprechenden Merkmalen ausgeweitet werden, die aus konventioneller Zucht stammen.
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Foto: Jörg Farys