Kein Patent auf Tierzucht!

Europäisches Patentamt entscheidet über Zucht von Rindern und Schweinen

München, 24.11.2011 – Das Europäische Patentamt (EPA) verhandelt heute über Einsprüche gegen ein Patent auf Tierzucht (EP1257168). Die US-Firma XY LLC (Tochter des US-Unternehmens Inguran LLC) beansprucht ein Zuchtverfahren als ihre Erfindung, mit dem das Geschlecht der Nachkommen bestimmt werden kann. Dabei wird das Sperma für künstliche Besamungen mithilfe einer Apparatur selektiert. Der Patentanspruch erstreckt sich auch auf das so ausgewählte Sperma. Da die künstliche Besamung insbesondere in der Rinder- und Schweinezucht weit verbreitet ist, kann das Patent erhebliche Auswirkungen auf Landwirtschaft und Tierzucht haben. Außerdem gibt es bereits weitere Patentanmeldungen anderer Firmen auf Zuchtmaterial und Nutztiere. Das Samen-Patent könnte für die Tierzucht zu einem ähnlichen Präzedenzfall werden wie das Brokkoli- und Tomaten-Patent für die Pflanzenzucht. „Das Patentamt steht vor der Frage, ob biologisches Material dadurch zur Erfindung werden kann, wenn es durch bestimmte automatisierte Verfahren sortiert worden ist. Wenn dem so ist, lassen sich in Zukunft vielleicht auch große Tiere, die durch bestimmte Methoden von kleineren Tieren getrennt wurden, als Erfindung beanspruchen.“ So erklärt Ruth Tippe von „Kein Patent auf Leben!“ die Absurdität der Patentansprüche. „Eigentlich dürfen Patente auf konventionelle Tierzucht grundsätzlich nicht erteilt werden, aber das Patentamt legt die bestehenden Verbote so aus, dass sie rechtlich nicht mehr wirksam sind.“ 2005 legten Mitglieder der Grünen im Europäischen Parlament und Greenpeace Einspruch gegen das Samen-Patent ein. Es hatte für viel Aufregung gesorgt, weil es ursprünglich auch die Geschlechtswahl beim Menschen einschloss. Dieser Teil des Patentes, gegen den insbesondere Greenpeace geklagt hatte, wurde inzwischen widerrufen. Das Patent besteht jedoch weiter auf Tierzuchtverfahren und das selektierte Sperma. Die Grünen im Europäischen Parlament fordern, das Patent vollständig zu widerrufen und die bestehenden Verbotsregelungen zu überprüfen: „Die EU-Kommission muss sicherstellen, dass Pflanzen, Tiere und Zuchtmaterial, das für die konventionelle Zucht benötigt wird, nicht patentiert werden dürfen. Hier handelt es sich nicht um Erfindungen, sondern um einen klaren Missbrauch des Patentrechts, bei dem es darum geht, die Kontrolle über die Zucht, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu erhalten. Falls derartige Patente weiterhin erteilt werden, fordern wir eine Änderung der Gesetze“, sagt Martin Häusling von den Grünen im Europäischen Parlament. Auch das internationale Bündnis „No Patents on Seeds“ verlangt klare gesetzliche Bestimmungen, die Patente auf Pflanzen und Tiere grundsätzlich unmöglich machen. Entsprechende Forderungen werden bereits von über 200 Organisationen unterstützt (www.no-patents-on-seeds.org). Die Verhandlung über das Tierzuchtpatent findet am Europäischen Patentamt in München (Erhardtsstr. 27) ab 9 Uhr im Raum 111 statt. Möglicherweise wird das Patentfall an die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes weitergeleitet. Es ist aber auch möglich, dass das Patent nach kurzer Verhandlung komplett widerrufen wird, weil das Patentamt erst kürzlich eine Publikation präsentierte, nach der das technische Verfahren nicht neu ist, sondern bereits vor der Patentanmeldung bekannt war.

 

Für Rückfragen sind vor Ort erreichbar: Dr. Ruth Tippe Tel: (+49) 0172-8963858 Christoph Then: (+49) 0151 54638040 Kontakt für die Grünen im Europäischen Parlament: Martin Häusling Tel: +32 2 284 58 20 weitere Infos zu Patenten auf Pflanzen und Tiere: www.no-patents-on-seeds.org