Saatgut-Patente: Politik und Patentamt in der Verantwortung

Übergabe von Unterschriften vor Sitzung des Verwaltungsrates des Europäischen Patentamtes

22. März 2021 / Einen Tag vor der Sitzung des Verwaltungsrates des Europäischen Patentamtes (EPA) übergeben WeMove Europe und das Umweltinstitut München zusammen mit Keine Patente auf Saatgut! heute über 175.000 Unterschriften gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung. Wie ein aktueller Bericht zeigt, erlauben es zahlreiche rechtliche Schlupflöcher den Konzernen die Verbote der Patentierung konventioneller Züchtung zu umgehen und Pflanzen, Saatgut und von ihnen gewonnene Lebensmittel als ihre ‚Erfindung‘ zu beanspruchen.

Berlin
Foto: Jörg Farys

„Niemand sollte ein exklusives Recht haben, Früchte und Gemüse anzubauen und zu vermarkten“, sagt Annemarie Botzki, von WeMove Europe. „Wir fordern das Patentamt auf, sofort aktiv zu werden und alle Schlupflöcher zu schließen, die weitere Saatgut-Monopole erlauben!“

Wie ein aktueller Bericht von Keine Patente auf Saatgut! zeigt, kann die Industrie verschiedene rechtliche Schlupflöcher nutzen, um die bestehenden Verbote zu umgehen. So wurden in den letzten Jahren Dutzende von Patenten auf Züchtungen erteilt, die auf zufälligen Veränderungen des Erbgutes und konventioneller Züchtung beruhen. Beispiele sind Gerste, Salat, Brokkoli, Tomaten und Paprika. Inzwischen sind bereits über 800 europäische Sorten von diesen Patenten betroffen. Nach dem Wortlaut der Europäischen Patentgesetze können nur gentechnische Verfahren patentiert werden, nicht jedoch Pflanzen oder Pflanzensorten, deren Eigenschaften auf herkömmlicher Züchtung beruht.

„Wenn diese Patente nicht gestoppt werden, werden Landwirte und traditionelle Züchtungen immer stärker in die Abhängigkeit der großen Konzerne geraten, die den Zugang zu Saatgut kontrollieren, das für die weitere Züchtung benötigt wird. Jedes Jahr kommen rund hundert weitere Patentanträge dazu, die die konventionelle Züchtung betreffen“, sagt Verena Schmitt vom Umweltinstitut München „Es dürfen keine weiteren Saatgut-Monopole mehr vergeben werden!“

Aktuelle Entscheidungen des EPA zeigen, wie groß die rechtlichen Unsicherheiten derzeit sind: Währen der Widerruf eines Patentes auf Melonen jüngst bestätigt wurde (T1045/16), legte Bayer/Monsanto erfolgreich Beschwerde gegen den Widerruf auf ein Patent auf Brokkoli (T2840/18) ein. Das Patent auf den ‚geköpften Brokkoli‘ (EP1597965) erstreckt sich auf das Saatgut, die Pflanzen und das geerntete Gemüse. Das Patent war 2018 nach einem Einspruch von Keine Patente auf Saatgut! widerrufen worden. Dagegen hatte der Bayer-Konzern eine Beschwerde eingelegt, der das EPA jetzt entsprochen hat. Der Fall wird jetzt erneut verhandelt.

Die Unterschriftenaktion, mit der ein sofortiger Stopp derartiger Patente gefordert wird, soll noch bis Ende Juni fortgesetzt werden. Dann trifft sich der Verwaltungsrat erneut. Im Verwaltungsrat sitzen die VertreterInnen der 38 Mitgliedsländer des Europäischen Patentamtes und haben die politische Verantwortung, für die korrekte Auslegung der Patentgesetze zu sorgen. Die Industrie ist bei diesen Treffen als Beobachter zugelassen. Die Öffentlichkeit und die Organisationen, die heute vor dem EPA gegen Patente auf Saatgut protestieren, sind dagegen ausgeschlossen. Es hat den Anschein, dass das EPA die Industrie wie einen Top-Kunden behandelt, aber die Interessen der breiten Öffentlichkeit weitgehend ignoriert. Tatsächlich finanziert sich das EPA ausschließlich über Gebühren, insbesondere für die Prüfung und Erteilung von Patenten. 2021 hat das EPA ein Budget von 2,4 Milliarden Euro.

Fotos der Aktion werden auf unserer Homepage veröffentlicht und können bei Johanna Eckhardt angefragt werden.

Kontakt

Weitere Informationen

Die Petition auf der Homepage von Keine Patente auf Saatgut!, dem Umweltinstitut München und WeMove Europe.

Der aktuelle Bericht von Keine Patente auf Saatgut!

Das Melonen-Patent

Das Brokkoli-Patent