München, 20. Oktober 2011 Völlig überraschend hat das Europäische Patentamt (EPA) die lang erwartete öffentliche Anhörung zum umstrittenen Patent auf den Brokkoli abgesagt. Die Anhörung, in deren Rahmen auch die Entscheidung fallen sollte, wurde bereits vor Monaten für Mittwoch, den 26. Oktober angekündigt. Ein breites Bündnis von Organisationen hatte zu diesem Tag zu einer öffentlichen Demonstration aufgerufen. Das Patent EP1069819, dessen Rechte zur Zeit der US Konzern Monsanto nutzt, umfasst eine neue Brokkoli-Sorte, die durch konventionelle Methoden gezüchtet wurde. Die Konkurrenzfirma Syngenta hatte gegen das Patent erst Einspruch und dann Beschwerde eingelegt. Jetzt hat Syngenta kurz vor dem entscheidenden Termin beantragt, die Anhörung abzusagen und nach Aktenlagen zu entscheiden. Das EPA folgt dieser Bitte der Industrie. Daraus folgt, dass das Patent mit geringen Änderungen aufrecht erhalten bleibt, auch wenn die formale Bestätigung noch nicht ergangen ist. Laut einer Vorentscheidung vom letzten Jahr wird lediglich das Verfahren zur Züchtung aus den Patentansprüchen gestrichen, der Brokkoli selbst bleibt patentiert. „Das Patentamt und die Industrie scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Man wollte die angekündigte Demonstration, zu der auch Bundesministerin Ilse Aigner eingeladen ist, verhindern. Anders lässt sich die kurzfristige Absage nicht erklären. Die öffentlichen Proteste werden aber jetzt erst Recht fortgesetzt, auch die Demonstration wird stattfinden", sagt Ruth Tippe von der Initiative „Kein Patent auf Leben!“, die zusammen mit Organisationen wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dem Bund für Umwelt und Naturschutz, Greenpeace, Misereor, der Zivilcourage Bayern und vielen weiteren Organisationen gegen Patente auf Saatgut protestiert. Der Brokkoli-Fall (EP1069819) zeigt, wie sich ein Patent auf Nahrungspflanzen auswirken kann: Der Brokkoli aus konventioneller Zucht soll besonders viele gesundheitsfördernde Stoffe enthalten. Monsanto vertreibt das Gemüse seit Oktober 2011 exklusiv unter dem Slogan „naturally better“ über die britische Supermarktkette Marks & Spencer – zu deutlich erhöhten Preisen. Ohne das Patent könnte dieser Brokkoli durch andere Gemüsezüchter weiter verbessert werden und die Verbraucher hätten hier die freie Wahl zwischen verschiedenen Anbietern. Die weitere Zucht wird also durch das Patent unterbunden und der "gesunde" Brokkoli bleibt in der Hand eines Monopolisten, der auch den Preis frei festsetzen kann. „In Zeiten, in denen etwa eine Milliarde Menschen hungern, ist es unmoralisch, Lebensmittel durch Patentmonopole künstlich zu verknappen und zu verteuern. Konzerne wie Monsanto missbrauchen das Patentrecht, um aus Lebensmitteln Spekulationsobjekte zu machen. Soll es in Zukunft gesunde Lebensmittel nur für die Reichen geben?“, fragt Kerstin Lanje von Misereor. Für Nachfragen wenden Sie sich bitte an: Ruth Tippe, Kein Patent auf Leben! Tel: +49 (0)172-8963858 Kerstin Lanje, Misereor - Tel: +49 (0) 1522959 73 50 Christoph Then, Bündnis „No Patents on Seeds“ Tel: +49 (0) 15154638040 Ankündigung: Die Demonstration findet am 26. Oktober vor dem Europäischen Patentamt, Ehrhardtstr. 27, statt und beginnt um 11 Uhr. Für den 8. November ist eine weitere öffentliche Anhörung zu einem Patent auf traditionell gezüchtete Tomaten am Europäischen Patentamt angekündigt.
Europäisches Patentamt sagt Anhörung ab