Die patentfreie Zone für die klassische Pflanzenzucht in Europa bewahren!

Vom Europäischen Patentamt erteilte Patente setzen Politik unter Druck

Oktober 2025

Hier geht's zum Bericht (PDF)

Zusammenfassung

Bericht Keine Patente auf SaatgutIm Jahr 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für die künftige Regulierung von Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT). Der Vorschlag sieht einen beschleunigten Marktzugang für die meisten der derzeit in der Entwicklung befindlichen NGT-Pflanzen vor.


Es besteht die Sorge, dass nach der Einführung von NGT-Pflanzen in der europäischen Landwirtschaft die Zahl der Patente auf Saatgut für den Anbau drastisch ansteigen wird. Die steigende Zahl von Saatgutpatenten könnte zu einer Störung der bestehenden Systeme zur Lebensmittelproduktion und Pflanzenzüchtung führen, weil sie den Zugang zu den notwendigen biologischen Ressourcen blockieren oder behindern. Daher betrifft die Diskussion über die künftige Regulierung von NGT-Pflanzen auch Fragen zur Patentierbarkeit von Saatgut.


Um den Zugang zu dem von allen Zuchtbetrieben benötigten biologischen Material zu erleichtern, bzw. um Patente auf Saatgut zu verbieten, wurden vom Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und Expert*innen unterschiedliche Vorschläge unterbreitet. Zusammenfassend lassen sich in der aktuellen Diskussion über Änderungen des Patentrechts im Bereich der Pflanzenzüchtung mindestens vier Positionen identifizieren (die möglicherweise kombiniert werden können):


1. Ein Verbot der Patentierung von Pflanzen aus klassischer Züchtung (einschließlich zufälliger Mutagenese);
2. ein Verbot der Patentierung von Pflanzen aus klassischer Züchtung (einschließlich zufälliger Mutagenese)und zusätzlich auch bestimmter NGT-Pflanzen;
3. die Einführung eines vollen Züchtervorbehalts im Patentrecht, um die negativen Auswirkungen von Patenten auf Saatgut für die Pflanzenzucht weitgehend abzuschwächen;
4. die Erhöhung der Transparenz hinsichtlich angemeldeter und erteilter Patente und der betroffenen auf dem Markt befindlichen Sorten.


In diesem Bericht geben wir einen Überblick über kürzlich in Europa angemeldete und erteilte Patente sowie über ausgewählte Entscheidungen des Europäischen Patentamts (EPA). Wir zeigen, dass Patente auf konventionell gezüchtetes Saatgut insbesondere für kleinere und mittlere Züchter*innen abschreckende Auswirkungen haben und somit ihre Züchtungsaktivitäten gefährden. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass die Zahl der angemeldeten und erteilten Patente auf Pflanzen aus klassischer Züchtung viel höher ist als die auf NGT-Pflanzen. Dies ist besorgniserregend, da das biologische Material, das mit Methoden der klassischen Züchtung verwendet und produziert wird, von allen Zuchtbetrieben benötigt wird. Daher sollte dieses Problem mit Dringlichkeit und hoher Priorität behandelt werden.


Unsere Ergebnisse zeigen, dass
› die Zahl der angemeldeten und erteilten Patente auf Pflanzen aus klassischer Züchtung weiter zunimmt;
› bereits eine große Anzahl konventionell gezüchteter Sorten von diesen Patenten betroffen ist;
› es historische, technische und rechtliche Gründe gibt, Patente auf klassische Züchtung und das daraus gewonnene Saatgut zu verbieten und nur Patente auf Gentechnikverfahren zuzulassen;
› die derzeitige Praxis des EPA die grundlegenden Unterschiede zwischen Verfahren wie Gentechnik und klassischer Züchtung ignoriert;
› die Praxis des EPA das Verbot der Patentierung von Pflanzensorten bedeutungslos macht und das Sortenschutzrecht (PVP) funktionsunfähig wird;
› die derzeitige Praxis des EPA die Existenz kleiner und mittlerer Züchter*innen in Europa sowie die Agrobiodiversität und die Auswahlmöglichkeiten für Verbraucher*innen gefährdet.


Wir schlagen vor, dass die EU vorrangig klarstellen sollte, dass klassische Züchtungen nur dem Sortenschutz unterliegen, nicht aber Patenten. Um einige der derzeitigen Hindernisse zu überwinden und kurzfristige Lösungen zu fördern, haben wir einen neuen Vorschlag zur Änderung des Patentrechts ausgearbeitet, der im Einklang mit dem internationalen Patentrecht steht. Unser Vorschlag folgt der Logik und der Absicht der EU-Patentrichtlinie 98/44/EG, bestimmte technische Erfindungen zu definieren, die von den Verboten des Artikels 53 (b) ausgenommen und damit patentierbar sind, anstatt Züchtungsmethoden (wie zufällige Mutagenese)aufzulisten, die nicht patentierbar sind.


Es wird vorgeschlagen, folgende Klarstellung in Regel 27 der Ausführungsverordnung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) hinzuzufügen:
„Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, können patentiert werden, wenn deren Erbgut direkt und zielgerichtet und über das hinaus verändert wird, was zuvor für die Züchtung zur Verfügung stand, und die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist.“


Zudem sollte dieser Wortlaut auch in Artikel 4 (2) der EU-Patentrichtlinie 98/44/EG übernommen werden.


Dieser Vorschlag könnte zur Lösung mehrerer Probleme beitragen:
› Er sichert den Zugang zu dem biologischen Material, das alle Zuchtbetriebe benötigen.
› Er sieht lediglich eine Änderung der Auslegung des geltenden Patentrechts vor und würde nur geringfügige Änderungen der EU-Patentrichtlinie und der Durchführungsbestimmungen des EPÜ erfordern.
› Er greift das Problem an der Wurzel an (durch die Verhinderung von Patenten) und versucht nicht nur die negativen Auswirkungen abzuschwächen, die durch die Erteilung von Saatgutpatenten verursacht werden.
› Bereits erteilte Patente im Bereich der klassischen Züchtung könnten vor den europäischen Gerichten nicht mehr durchgesetzt werden.
Keine Patente auf Saatgut! fordert, dass das Problem der Patente auf Saatgut gelöst wird, unabhängig davon, ob und wie die aktuellen Gentechnik-Gesetze an NGT-Pflanzen angepasst werden.